Über 130 Jahre Sozialdemokratie in Österreich – rechtzeitig zum 1. Mai erscheint nun ein neuer, umfassender Bildband über diese für das Land prägende Partei. Präsentiert wurde das Buch „Vorwärts“, erschienen im Brandstätter Verlag, mit den Herausgebern Hannes Androsch, Heinz Fischer und Wolfgang Maderthaner sowie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig nun live via Web-Talk. Barbara Tóth führte durch das Gespräch über die historischen Errungenschaften der SPÖ und die aktuelle Situation der Partei.

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Bei der über Live-Stream übertragenen Buchpräsentation im historischen Austerlitz-Zimmer im „Vorwärts-Haus“ (Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung) in Wien nutzte der frühere Finanzminister Hannes Androsch gleich zu Beginn die aktuelle Situation für scharfe Worte:

„In einer Zeit des selbstbelobigenden Eigenmarketings der türkisen Regierungspartei ist auch ein anderes Virus wahrzunehmen, das Autoritätsvirus. Neben allen gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten müssen wir aufpassen, dass nicht durch die Hintertür der Krisenbekämpfung die Grund- und Menschenrechte gefährdet werden.“

Bezogen auf die wirtschaftlichen Schäden sei das Ende des Anfangs noch nicht erreicht. Zur Stunde habe die Hälfte der Erwerbstätigen keinen Erwerb.

„Wie lang kann man das durchhalten? Zu glauben, dass man diese Situation in renationalisierter Isolierung und Quarantäne bewältigen kann, ist eine Illusion“, so Androsch. Es sei wichtig, dass die Weltwirtschaft wieder in die Gänge komme, um den Menschen Perspektiven aufzuzeigen.

Auch Heinz Fischer, Bundespräsident a.D., sparte nicht mit kritischen Worten.

„Wir haben nach wie vor ein demokratisches System, aber unter den gegebenen Umständen und Erschütterungen müssen wir sehr aufpassen, dass dieses System weiter ein voll wirksames bleibt.“

Die Sozialdemokratie habe immer schon die Demokratie verteidigt, Verantwortung übernommen und friedliche Lösungen angestrebt. Ihre heutige Aufgabe als Oppositionspartei sei, das was die Regierung in extremer Eile und teilweise ohne breite Diskussion tut, kritisch zu beurteilen und eigene Überlegungen anzustellen.

„Es heißt nicht, dass wenn eine Gesundheitskrise ausbricht, man den Parlamentarismus auf die Regierungsbank reduziert und die Abgeordneten unter dem Titel Schulterschluss quasi schweigend alles annehmen. Manche Dinge könnten auch anders gemacht werden. Wir dürfen die soziale Dimension nicht aus den Augen verlieren.“

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sieht in der Geschichte der SPÖ eine Inspiration für die Gegenwart. Man dürfe nicht übersehen, dass die Partei in der Vergangenheit große Krisen erfolgreich gemeistert hat, das sei auch Grund für Optimismus. Der 1. Mai als wichtiger Tag der Sozialdemokratie wird dieses Jahr aufgrund der Ausgangsbeschränkungen anders abgehalten als sonst.

Ludwig erinnert in diesem Zusammenhang an den ersten 1. Mai vor 130 Jahren: „So wie damals 1890, als Victor Adler dazu aufgerufen hat, die Demonstration fordernd, aber friedlich durchzuführen, ist es heute in unserer Verantwortung, dass wir keine Veranstaltung zulassen, die die Gesundheit der Menschen gefährdet.“

Die Solidarität, die es für die Sozialdemokratie gibt, werde diesmal auf einem anderen Weg zum Ausdruck gebracht.

Historiker und Mitherausgeber Wolfgang Maderthaner ruft den 1. Mai als „Weckruf der österreichischen Sozialdemokratie“ in Erinnerung und zitiert die Neue Freie Presse, die damals schrieb, „man könne von diesen Männern und Frauen der Arbeit lernen, wie man eine Großdemonstration mit Würde und mit Achtung vor dem Gesetz durchführt“. Auf die Frage von Moderatorin Barbara Tóth, was Victor Adler heute tun würde, verweist Maderthaner auf dessen zutiefst soziale Gesinnung, die für die Sozialdemokratie prägend sei:

„Victor Adler (der selbst auch als Armenarzt tätig war) ging es immer um ein für die Allgemeinheit zugängliches Gesundheitswesen. Öffentliche Gesundheit und soziale Solidarität zu bewahren seien ein unbestreitbares Erbe“.

Wesentlich und bestimmend sei weiters auch, „dass es in diesen 130 Jahren Sozialdemokratie stets einen Kampf um die demokratische Republik, einen sozialen Wohlfahrtsstaat und gegen Autoritarismus in jeder Form gegeben hat“, so Maderthaner.

Zum Buch
In „Vorwärts! Österreichische Sozialdemokratie nach 1889“ (Brandstätter Verlag) zeichnen mit Hannes Androsch und Heinz Fischer zwei große Persönlichkeiten der österreichischen Sozialdemokratie – gemeinsam mit dem Historiker Wolfgang Maderthaner – die historische Entwicklung dieser Partei nach. Von ihren Wurzeln im Revolutionsjahr 1848, der Gründung 1889 in Hainfeld, über Krieg, Zerschlagung und Exil im Dritten Reich sowie ihren organisatorischen Wiederaufbau nach 1945 bis hin zur Gegenwart.

Link zum Buch: https://www.brandstaetterverlag.com/buch/vorwaerts

 

Eine Pressemeldung des Brandstätter Verlags
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