Aus dem Vorwort von Margot Käßmann:

»Durch Stillesein und Vertrauen würdet ihr stark sein«,
heißt es beim Propheten Jesaja (30,15).

Das ist ein interessanter Aspekt, finde ich. Stille kann ja Angst machen, Schockstarre auslösen. Und es ist schwer, in einer so lauten, umtriebigen Welt Stille zu finden. Da ist die eigene Unruhe, die ständige mediale Bespaßung, die Kommunikation über Handy, Notebook, Internet. Manchmal ist Stille aber notwendig, um nachzudenken, Lösungen zu finden oder um sich selbst nicht zu verlieren. Viele Menschen suchen heute Klöster auf, weil sie Stille suchen. In der Zeit der Coronakrise wurde es manchen allzu still. Sie haben Einsamkeit empfunden in der erzwungenen Abschottung, durch das Gebot, direkte Kontakte zu meiden. (…)

 

Still werden in mir

In der christlichen Tradition ist die innere Stille Teil der Spiritualität. Innerlich still zu werden, um alle Ablenkung einmal auszublenden und ganz zu mir zu kommen, mich mit den existentiellen Fragen des Lebens zu befassen, ist eine gute Übung. Solches Schweigen meint nicht Feigheit oder Angst, sondern Meditation. Ich horche in mich hinein, um herauszufinden, was mich bewegt. Oder ich schweige, um Konzentration zu finden.

Bei mir selbst kenne ich ein Denken, Rennen, Tun, eine Geschäftigkeit, die mich völlig in Beschlag nimmt. Das macht mich oft glücklich, es ist schön, das alles zu können und zu dürfen. Aber es kommt immer wieder ein Punkt, an dem mir deutlich wird: Du musst dringend zur Ruhe kommen. Du weißt ja gar nicht mehr, wohin du rennst, warum du etwas tust, womit du derart beschäftigt bist.

Stille braucht durchaus Übung. Du musst es wollen. Du kannst es lernen. Und danach wirst du dich besser fühlen. Diesen letzten Gedanken brauche ich wie beim Fasten oder auch beim Joggen: Erst einmal mag ich eigentlich nicht. Warum sollte ich das tun? Aber ich weiß aus Erfahrung, dass es mir gut tut, mich bestärkt, ich mich rückblickend daran freue oder vielleicht auch Glückshormone ausschütte.

Allerdings muss ich auch in einer Situation sein, in der ich diese innere Stille aushalte. Es gibt Zeiten der Belastung, der Sorgen und Ängste, in der wir dazu nicht die Kraft haben. Das dürfen wir uns zugestehen, gnädig sein mit uns selbst! Aber wenn es uns gut geht, wir innerlich frei sind, dann dürfen wir wissen, wie gut es tut, innerlich still zu werden. Ja, auf unseres Herzens Ohr zu hören. Weil wir ahnen, so werden wir Frieden finden in unserer Seele.

Auszug aus dem Buch Stärkende Stille, von Margot Käßmann

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In ihrem Buch schreibt Margot Käßmann über die Stille in all ihren Facetten. In unserem Leben zeigt sie sich als stilles Vertrauen, als furchteinflößende Stille, als bewusste Zeit beim Stillen eines Kindes, im Gebet und in viele weiteren Formen. In persönlichen Texten erklärt die beliebte Theologin, welche Bedeutung Stille in unserer lauten Welt hat und wie man aus ihr Kraft schöpfen kann. Begleitet werden ihre Gedanken von stimmungsvollen Bildern des Fotografen Andreas Helm, eingebettet in ein modernes Layout.
Margot Käßmann, Stärkende Stille, Verlag Herder, 1. Auflage 2020, Gebunden, 160 Seiten, ISBN: 978-3-451-39332-7, € 24,70 (A)

 

Margot Käßmann
Prof. Dr. theol., geb. 1958, Pfarrerin und Deutschlands bekannteste Theologin, von 2012 bis 2017 Botschafterin der EKD für das Reformationsjubiläum. Margot Käßmann ist Mutter von vier erwachsenen Töchtern. Zahlreiche erfolgreiche Veröffentlichungen. (Foto: Copyright Jörg Klaus)

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Verlag Herder, www.herder.de
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