Die Siegertitel des Deutschen Jugendliteraturpreises beschäftigen sich mit den Grundfragen des menschlichen Zusammenlebens. Sie stehen für demokratische Werte und die Kraft der Erinnerung.

Rund 1.300 Gäste waren in diesem Jahr wieder live dabei, als Bundesministerin Lisa Paus am 21. Oktober 2022 auf der Frankfurter Buchmesse die Gewinner:innen des Deutschen Jugendliteraturpreises verkündete.

„In allen ausgezeichneten Werken geht es um das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft“, erklärte die Vorsitzende der Kritikerjury Prof. Dr. Karin Vach. „Die Preisbücher erzählen kunstvoll, wie Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaften gestaltet werden können und welche Rolle dabei die Erinnerung spielt. Die Geschichten spiegeln den Wert einer demokratischen Gesellschaft und zeigen, dass alle Mitverantwortung für das Gelingen tragen.“

Bilderbuch

Sieger in der Sparte Bilderbuch ist Unsere Grube (Beltz & Gelberg) der schwedischen Autorin und Illustratorin Emma Adbåge. In ihrer ganz eigenen Bildsprache, mit viel Humor und Feingefühl, erzählt sie von der Bedeutsamkeit unbeobachteter Kindheit – und steht dabei eindeutig auf Seiten der Kinder. Unaufgeregt lässt sie diese gemeinsam und erfindungsreich Konflikte lösen und bestärkt sie darin, eigenen Ideen zu vertrauen und ihre Spielräume aktiv zu gestalten. Die Wirkung des ermutigenden Bilderbuchs ist auch der Übersetzung von Friederike Buchinger zu verdanken, die genau den richtigen Ton findet.

Kinderbuch

Als bestes Kinderbuch überzeugte Die Suche nach Paulie Fink (Hanser) der US-amerikanischen Autorin Ali Benjamin. In diesem geht es nicht nur um den legendären Paulie Fink, der nach den Sommerferien spurlos verschwunden ist, sondern vielmehr um die Entwicklung der Ich-Erzählerin Caitlyn und um die Bedeutung jedes Einzelnen in der Schulgemeinschaft. Dabei besticht der Roman durch seine große Erzählkunst mit einer Kombination von Textsorten und dem Spiel von Realität und Fiktion. In ihrer Übersetzung geben Jessika Komina und Sandra Knuffinke wunderbar sowohl die leisesten als auch die wildesten Momente dieser Geschichte wieder.

Jugendbuch

Gewinner beim Jugendbuch ist Kirsten Boies zeitgeschichtlicher Roman Dunkelnacht (Oetinger), der die Gräuel der „Penzberger Mordnacht“ im April 1945 beschreibt. In knappen Sätzen schildert sie mit schmerzhafter Präzision, wie ideologische Verblendung jede Menschlichkeit ausradiert, wie Nachbarn zu Mördern werden. Kirsten Boie ist mit dem fast szenisch verdichteten Text ein grandioses Stück Erinnerungsliteratur gelungen, das unter die Haut geht. Und nebenbei erfindet sich die bekannte Erfolgsautorin völlig neu.

Sachbuch

Bestes Sachbuch ist Der Duft der Kiefern (avant) von Bianca Schaalburg. In ihrer Graphic Novel begibt sich die Autorin auf eine autobiografische Spurensuche und hinterfragt die Rolle ihrer Familie während der NS-Zeit. Dabei ist ihr Werk nicht nur ein Stück persönlicher Aufarbeitung, sondern vielmehr ein Beitrag gegen das Vergessen und eine Aufforderung zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Eindrucksvoll legt das Sachbuch dar, wie grafisches Erzählen die Möglichkeiten der Wissensvermittlung erweitert.

Preisbuch der Jugendjury

Das Preisbuch der Jugendjury ist die Coming-of-Age-Geschichte Hard Land (Diogenes) von Benedict Wells. Aus der Perspektive des 15-jährigen Sam beschreibt dieser Roman, angesiedelt in Missouri im Jahre 1985, die Zeit des Erwachsenwerdens. Es ist ein Sommer voll Abenteuer und Schmerz, der Sam die erste Liebe und die ersten Verluste bringt. Ein Sommer, der mitsamt seinen Schattenseiten eine Liebeserklärung an die Jugend ist.

Sonderpreis Gesamtwerk

Der mit 12.000 Euro dotierte Sonderpreis Gesamtwerk geht an den 1940 geborenen Illustrator Hans Ticha, dessen kinderliterarisches Schaffen seinen Höhepunkt in den 1970er und 1980er Jahren in der DDR hatte. Seine Bilderwelten bewegen sich klug ausbalanciert zwischen Poesie, Pop-Art und Persiflage. Charakteristisch sind die Verwendung knalliger Farben, reduzierter grafischer Formen sowie das Auftreten phantastischer Figuren mit kugelrunden Körpern. Der Deutsche Jugendliteraturpreis ehrt einen einzigartigen Bilderbuchkünstler, dessen Bücher zwischen Eigensinn und politischer Geste einen erneuten Auftritt in allen Haushalten, Schulen und Kindergärten verdienen.

Sonderpreis „Neue Talente“

Der Auszeichnung für das Lebenswerk steht der Sonderpreis „Neue Talente“ gegenüber. Über diesen kann sich die Illustratorin Mia Oberländer freuen. In ihrem Comic Anna (Edition Moderne) bearbeitet sie mit Verve und Humor das Thema Großsein. Auf farbflächigen Bildtafeln geht sie der Frage nach, was es bedeutet, nicht der Norm zu entsprechen und ausgegrenzt zu werden. Durch die bildnerische Freistellung der Figuren und die Überzeichnung von Mimik wie Körperproportionen werden das Denken, Fühlen und Handeln der Protagonistinnen meisterhaft inszeniert.

Deutscher Jugendliteraturpreises

Stifter des Deutschen Jugendliteraturpreises ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ausrichter der Arbeitskreis für Jugendliteratur. Die Auszeichnung wird seit 1956 für herausragende Kinder- und Jugendbücher vergeben und ist mit insgesamt 72.000 Euro dotiert. Bis auf den Sonderpreis Gesamtwerk sind alle weiteren Auszeichnungen mit einem Preisgeld von 10.000 Euro verbunden. Zudem erhalten alle Preisträger:innen eine Skulptur, die bronzene Momo.

Für ihre freundliche Unterstützung danken wir der Frankfurter Buchmesse.

 

Pressemeldung Arbeitskreis Jugendliteratur