Am Sonntag, den 10. November 2024 wurde der Autor David Grossman in Krems an der Donau mit dem Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln 2024 geehrt. Die Verleihung erfolgte als abschließender Höhepunkt der Europäischen Literaturtage 2024 in Krems/Stein. Benedikt Föger, der Präsident des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels, überreichte die höchste Auszeichnung, die der österreichische Buchhandel zu vergeben hat.
Der Ehrenpreis wird seit 1990 an Personen vergeben, die sich in ihrem Werk und durch ihr Engagement für Toleranz in Bezug auf sprachliche sowie kulturelle Vielfalt in herausragender Art und Weise eingesetzt haben und somit einen Beitrag zu einem friedlichen Miteinander in Europa geleistet haben. Er ist mit 10.000 Euro dotiert und wird vom Hauptverband des Österreichischen Buchhandels ausgerichtet. Zuletzt wurde 2023 Philippe Sands mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet.
„David Grossman hat 2010 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. […] Wie groß war die Hoffnung auf Frieden damals, wie gering ist sie heute. Wir dürfen diese Hoffnung und dieses Bemühen um Frieden aber nicht aufgeben. […] Die beiden wichtigsten Auszeichnungen, die die deutschsprachige Buchbranche zu vergeben hat, sind in ihrem Kern und Gründungsgedanken eng verwandt. Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und der Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln. Frieden und Toleranz sind die Eckpfeiler auf denen der intellektuelle Diskurs, auf denen die Schaffung und Auseinandersetzung mit Kunst, in unserem Fall in Form von Literatur, fußen. Es ist das dringlichste Anliegen jedes Verlegers und jeder Verlegerin aufzuklären, zu informieren und zu vermitteln. Auch und gerade um die Fundamente unserer Arbeit und Rezeption – den Frieden und die Toleranz – zu stärken“ – Benedikt Föger bei der Übergabe des Preises an Grossman
„Die Formel ‚Toleranz in Denken und Handeln‘ im Namen des hier verliehenen Preises ließe sich im Blick auf die Forderungen bedenken, die Kants praktische Vernunft stellt. Sie ruft aber auch das Konzept des ‚Tikkun olam‘ auf, das im Judentum die rabbinische Tradition und die moderne säkulare Welt verbindet. Es meint die Reparatur, die Heilung und Umformung der als versehrt vorausgesetzten Welt. […] Die Handlungsaufforderung des Tikkun olam richtet sich stets an das Individuum. Im Fall des Individuums David Grossman meint sie das Schreiben, die Verwandlung erlebter Geschichte in die Erzählung von fiktiven Figuren. Wer ihn liest, weiß, dass die Reparatur der Welt in seinem Werk der stets zurückweichende Horizont ist. Die Kruste der Erde ist dünn, die Existenz des Landes, dessen Grenze zum Libanon Ora und Avram bei ihrer Wanderung durch Galiläa vor Augen haben, nicht gesichert, die israelische Gesellschaft tief gespalten. In der Kunst, mit den Mitteln des Erzählens, der Literatur, dennoch immer weiter auf diesen zurückweichenden Horizont zuzugehen, hat David Grossman es weit gebracht. Dafür verdient er alles Lob und alle Bewunderung. Herzlichen Glückwunsch zum Preis für Toleranz in Denken und Handeln!“ – Laudator Lothar Müller (Journalist und Autor) über das Werk des Preisträgers
David Grossman dankte den Erhalt der Auszeichnung mit den Worten: „Und jetzt habe ich vor einigen Minuten in die Gesichter unserer Musiker:innen geschaut […] und ich dachte an die Genauigkeit, die es braucht, um ein Künstler zu sein, […] wie genau, präzise und nuanciert Künstler:innen sein müssen. Es ist sehr anstrengend, immer nuanciert zu sein. Wenn ich einen Absatz beende, an dem ich manchmal stundenlang geschrieben habe, dann ist da plötzlich diese Genauigkeit, diese Musikalität der Literatur. Literatur hat viel mit Musik zu tun. Und plötzlich verstand ich die Kraft dieser Art, in der Welt zu sein, nicht nur zu leben, sondern ganz und gar zu Sein – mit großem S – und zu verstehen, was für ein Geschenk wir haben, wir Menschen, die Künstler:innen sind, die Menschen, die bereit sind, all diese Mühe auf sich zu nehmen, um diesen Ort zu erreichen, an dem sich die Musikalität vollständig zusammensetzt. […] Vielen Dank.“
Rosie Goldsmith (Journalistin) moderierte das Gespräch. Die musikalische Umrahmung erfolgte durch Pamelia Stickney & Peter Rom.
Über David Grossman
David Grossman, 1954 in Jerusalem geboren, ist einer der führenden israelischen Schriftsteller seiner Generation. In seinen Werken beschäftigt er sich mit dem Trauma des Krieges und den Aussichten auf Frieden, sowie mit Liebe, Eifersucht und Familienbeziehungen – darunter sein Debüt-Roman „Stichwort: Liebe“, „Der gelbe Wind“ und sein Bestseller „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“. Er ist Autor von 14 Romanen, sechs Sachbüchern und 16 Kinderbüchern; seine Werke wurden weltweit in 45 Sprachen übersetzt. David Grossmans Texte sind in internationalen Zeitschriften wie u.a. The New Yorker, The Guardian, De Standaard, Frankfurter Allgemeine Zeitung, The New York Times erschienen, und mehrere seiner Bücher wurden für internationale Bühnen- und Filmproduktionen adaptiert. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen gehören der Friedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der International Man Booker Prize und der Chevalier de l’Ordre des Artes et des Lettres.
Presseaussendung Hauptverband des Österreichischen Buchhandels / Red.