Generaldirektorin Dr. Johanna Rachinger wurde am 25. November 2025 aus gesundheitlichen Gründen von Vizekanzler Andreas Babler, MSc, von ihrer Funktion als Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin der Österreichischen Nationalbibliothek abberufen. Die Folgen einer Sturzverletzung lassen eine Rückkehr in ihre Funktion als Geschäftsführerin in absehbarer Zeit nicht zu.
Bis zu einer Neubesetzung wird die Österreichische Nationalbibliothek weiterhin von Mag. Richard Starkel als wirtschaftlichem Geschäftsführer gemeinsam mit den Prokurist:innen Mag. Michaela Mayr, Stellvertreterin der Generaldirektorin und Leiterin der Hauptabteilung Digitale Bibliothek, sowie Mag. Thomas Wollinger, Stellvertreter des wirtschaftlichen Geschäftsführers und Leiter der Hauptabteilung Finanzen, Technik und Administration, geführt.
Dr. Johanna Rachinger, 65, zählt zu den profiliertesten Kulturmanager:innen des Landes und führte die Österreichische Nationalbibliothek 24 Jahre lang mit großem Erfolg. Im Juni 2001 übernahm sie die Leitung der Österreichischen Nationalbibliothek und widmete sich unmittelbar dem ersten Großprojekt, der Ausgliederung der Institution in eine „wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts“. Mit großem Engagement und Gespür für richtungsweisende Themen im Bibliotheks- und Museumswesen initiierte sie zahlreiche Veränderungen. Die heutige Positionierung der Österreichischen Nationalbibliothek als modernes Bildungs- und Kulturzentrum, als dienstleistungsorientiertes Informations- und Forschungszentrum und als herausragende Gedächtnisinstitution des Landes trägt maßgeblich ihre Handschrift. Unter Rachingers Leitung erfuhr die Österreichische Nationalbibliothek einen grundlegenden Wandel von einer analog geprägten Bibliothek zu einer Vorreiterin hinsichtlich Digitalisierung und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Demokratisierung des Wissens
Die Demokratisierung des Wissens war Rachinger ein besonderes Anliegen. So ist es unter ihrer Ägide gelungen, durch frühzeitige Digitalisierungsinitiativen eine beträchtliche Anzahl an Objekten weltweit und kostenlos allen Interessierten zugänglich zu machen. Aktuell stellt die Österreichische Nationalbibliothek in ihren Portalen nahezu 3,8 Millionen Objekte online zur Verfügung. Großes internationales Aufsehen erregte auch das Projekt zur Digitalisierung des gesamten historischen Buchbestands im Rahmen eines umfangreichen Public-Private-Partnership. Auf Rachingers Initiative wurde außerdem die Archivierung von österreichischen Webseiten und digitalen Publikationen institutionalisiert.
2022 eröffnete Rachinger das „Center für Informations- und Medienkompetenz“. Als Teaching Library unterstützt die Österreichische Nationalbibliothek seither Benutzer:innen bei der Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen für die komplexe digitale Informations- und Medienlandschaft.
Räume öffnen
Rachinger führte die Österreichische Nationalbibliothek nicht nur inhaltlich in eine neue Zeit und positionierte sie dank einer forcierten wissenschaftlichen Forschungstätigkeit an der Spitze europäischer Nationalbibliotheken, sondern erweiterte die Institution auch räumlich umfassend. Im 2002 übernommenen Palais Mollard in der Wiener Herrengasse befinden sich heute die weltweit beachtete Musiksammlung, das Globenmuseum und das Esperantomuseum. Rachingers visionärem und zugleich umsetzungsstarkem Management ist es auch zu verdanken, dass seit nunmehr zehn Jahren in der Johannesgasse das Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek etabliert ist: in der historischen Architektur des ehemaligen k.k. Hofkammerarchivs konnte ein zeitgemäßes Spezialmuseum errichtet werden, das den Ruf Österreichs als Literaturnation untermauert. Anlässlich des 100jährigen Republikjubiläums wurde schließlich das Haus der Geschichte Österreich in der Neuen Burg eröffnet und organisatorisch in die Österreichische Nationalbibliothek eingegliedert.
Auch die Benutzungsqualität des bibliothekarischen Betriebs brachte Rachinger maßgeblich voran, etwa durch die Erweiterung um neue Lesesäle, die Generalsanierung aller Lesesäle, des Bildarchivs und des Prunksaals.
Aufarbeitung der Vergangenheit
Besonders wichtig war Rachinger die bedingungslose Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Hauses: So richtete sie eine Stelle zur Erarbeitung des ersten Provenienzberichts ein, der 2003 veröffentlicht wurde. Bis heute wurden 98 % aller bekannten Restitutionsfälle zurückgestellt. Klare Worte fand sie stets, wenn es um die Vergangenheitsbewältigung und Verharmlosung von NS-Verbrechen ging.
Besucherrekorde
Unter Rachingers Leitung konnte die Zahl der Besucher:innen und Benutzer:innen vervielfacht werden: von rund 360.000 Besucher:innen und Benutzer:innen im Jahr 2002 auf zuletzt über 1,2 Millionen. Auch finanziell hat sie die Österreichische Nationalbibliothek krisensicher aufgestellt: Eine umsichtige Investitionspolitik, klare Prioritätensetzungen und Besucherrekorde in den Museen und Lesesälen haben ein sicheres Fundament auch für unruhige wirtschaftliche Zeiten geschaffen. Durch die konsequente Modernisierung des Unternehmens konnte sie die Österreichische Nationalbibliothek auch zu einer attraktiven Partnerin für Sponsor:innen und eines hochkarätigen Freundesvereins entwickeln sowie das Haus als qualitätsvolle Adresse für Raumvermietungen etablieren.
Zukunftsfit
Mit der von allen Mitarbeiter:innen erarbeiteten „Vision 2035 – Wir öffnen Räume“, veröffentlicht 2021, und den davon abgeleiteten Strategischen Zielen 2023 – 2027 wurde ein zukunftsweisender Rahmen für die weitere zukünftige Ausrichtung des Hauses festgelegt. Der umfassende digitale Wandel, die großen gesellschaftlichen Veränderungen und die globalen Herausforderungen des Klimawandels stehen dabei im Zentrum und zeigen Rachingers stetes Bestreben, die Österreichische Nationalbibliothek in ihrer Vorreiterrolle zu stärken und weiterhin zukunftsorientiert zu gestalten. Der Fokus auf eine dienstleistungsorientierte Servicequalität für Nutzer:innen war ihr ebenso ein zentrales Anliegen wie ein breites Fortbildungsangebot für Mitarbeiter:innen und die Ausbildung zukünftiger Bibliothekar:innen. Mit der Erweiterung des Bestandes, beispielsweise um den literarischen Nachlass Thomas Bernhards 2022, setzte Rachinger einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Zukunft.
Bedingungsloser persönlicher Einsatz, Mut zur Innovation und Leadership als Führungspersönlichkeit prägten das Wirken von Dr. Johanna Rachinger. Die Österreichische Nationalbibliothek und ihre Mitarbeiter:innen wünschen ihr eine baldige und vollständige Genesung und danken ihr für ihre prägenden, zukunftsweisenden Leistungen.
Presseaussendung Österreichische Nationalbibliothek / Red.