Der von der Stiftung Schloss Leuk in diesem Jahr zum 20. Mal verliehene »Spycher: Literaturpreis Leuk« geht an Helena Janeczek. Als Preisträgerin ist sie eingeladen,
während drei bis fünf Jahren jeweils mehrere Wochen in Leuk im Wallis zu leben und
zu schreiben.
Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehören unter anderem Gerhard Falkner, Judith Schalansky und Alissa Walser.
Helena Janeczek, geboren 1964, wuchs als Tochter polnischer Überlebender des Holocausts in München auf, zog 1983 zum Studium nach Italien, wo sie mit ihrem Sohn lebt und in Mailand als Lektorin bei Mondadori arbeitet. 1989 veröffentlichte sie in Deutschland beim Suhrkamp-Verlag die Gedichtsammlung Ins Freie. 1997 setzte sie sich mit Lezioni di tenebra autofiktional mit ihrer Familiengeschichte auseinander, nachdem sie zwei Jahre zuvor mit ihrer Mutter an der Gedenkfeier zur fünfzigjährigen Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenaus teilgenommen hatte – eines der bedeutendsten Beispiele eines solchen Textes der zweiten Generation nach dem Holocaust. Es folgten, neben zwei Erzählbänden und Essays, Cibo (2002) und Le rondini di Montecassino (2010).
Ihr 2017 erschienener Roman La ragazza con la Leica wurde mit dem renommiertesten italienischen Literaturpreis »Premio Strega« ausgezeichnet. Unter dem Titel Das Mädchen mit der Leica ist er im März 2020 im Berlin Verlag erschienen, übersetzt von Verena von Koskull, der vergangene Woche der Deutsch-Italienische Übersetzerpreis verliehen wurde.
In Das Mädchen mit der Leica erzählt Helena Janeczek das Leben der Fotografin Gerda Taro (1910-1937). Als Gerta Pohorylle in Stuttgart geboren, in der Schweiz erzogen, in Leipzig zur überzeugten Sozialistin geworden, floh sie vor den Nazis nach Paris. Dort begegnete sie Robert Capa, auch er ein Hunger leidender jüdischer Flüchtling. Die beiden verlieben sich und arbeiten von nun an gemeinsam. Beide dokumentierten sie den Spanischen Bürgerkrieg, aber sie bezahlte diesen Einsatz mit dem Leben. Zu ihrer Beerdigung in Paris kamen Zehntausende; Capa führte mit Louis Aragon und Pablo Neruda den Trauerzug an, Alberto Giacometti schuf ihr Grabmal.
Dann wurde Gerda Taro vergessen – bis 2007 in New York ein lang verschollener Koffer geöffnet wurde, in dem man ihre Negative fand.
In der Begründung der Jury, der Thomas Geiger (Vorsitz), Sabine Dörlemann und Christian Döring angehören, heißt es: »Das Mädchen mit der Leica überzeugt mit einer Prosa, die voller Empathie akribisches Zeitpanorama und das Porträt einer Vergessenen ist – auf romaneske Weise eine andere ›Lektion des Verborgenen‹.«
Die Preisübergabe findet am 27. September 2020 auf Schloss Leuk im Wallis im
Rahmen einer festlichen Feier statt. Die Laudatio hält die Literaturkritikerin,
Journalistin und Autorin Maike Albath.
Eine Pressemitteilung des Berlin Verlags
www.berlinverlag.de